Boreout – Mythos oder Wirklichkeit?

Boreout – Mythos oder Wirklichkeit?

Frage: «Ich bin mit meinem Job unzufrieden. Die Aufgaben sind langweilig, oftmals tue ich nur so, als würde ich arbeiten. Leide ich unter dem sogenannten „Boreout-Syndrom“?»

Antwort. Im Jahr 2007 erschien das Buch «Diagnose Boreout» von Philippe Rothlin und Peter Werder. Die Autoren formulieren die Theorie vom «Boreout-Syndrom», welches Stress am Arbeitsplatz durch Unterforderung, Monotonie und Langeweile beschreibt. Begründet wird die Theorie mit der Annahme, dass ein mittleres Mass an Aktivierung optimal für gute Leistung und hohe Zufriedenheit innerhalb einer Tätigkeit ist. Der Psychologe Mihaly Czsikzentmihalyi nennt diese mittlere Aktivierung während einer Tätigkeit Flow-Erleben. Er beschreibt damit das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, das eine mühelose Konzentration auf das Tun mit sich bringt. Der Betroffene hat das Gefühl, der Aktivität gewachsen zu sein und sie kontrollieren zu können. Wenn die Anforderungen die Fähigkeiten einer Person jedoch übersteigen kann es durch Stress zu einem Leistungsabfall kommen (siehe Ratgeber Stellefant vom 20.11.2009 zu Burnout). Gleichermassen hat eine Unterforderung einen Leistungsabfall zur Folge. Die Symptome stellen sich in beiden Fällen ähnlich dar: Müdigkeit, Lustlosigkeit, Gereiztheit, Frustration, bis hin zu depressiven Verstimmungen. Insbesondere Menschen, die monotone Routinetätigkeiten ausüben, sind betroffen.

Langeweile als Krankheit? Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, wie ein Phänomen wie das Boreout-Syndrom allgemeingültig ausgemacht werden kann. In der Psychologie gibt es diagnostische Instrumente, um ein Phänomen oder ein Persönlichkeitsmerkmal zu messen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn eine abgrenzbare Definition vorhanden ist. Im Falle des Boreout-Syndroms besteht die Schwierigkeit, dass der Übergang eines Normalzustandes zu einem krankhaften Syndrom nicht beschrieben wird. Im Zentrum der öffentlichen Diskussion um das Boreout-Syndrom steht deshalb die «Pathologisierung des Normalzustandes». d.h. die Gefahr, selbst alltägliche Mühen zu Krankheiten zu erheben. Ist es realistisch tagein, tagaus im Zustand des Flow zu schweben? Sicher nicht. Vielmehr ist anzunehmen, dass es Schwankungen innerhalb des Aktivierungsniveaus einer Person gibt. Mal sind wir überfordert und gestresst, ein anderes Mal unterfordert und gelangweilt. Und wenn es gut läuft, dann sind wir im Flow. 

Ausweg Berufswahl. Einen wichtigen Hinweis gibt uns das Boreout-Konzept dennoch: Monotonie, Langeweile und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz lassen sich durch die richtige Berufswahl auf ein Minimum reduzieren. Zwar ist es utopisch zu glauben, man könne einen Beruf ausüben, der stets Freude bereitet. Aber das Gefühl, etwas Sinnvolles und Bereicherndes zu tun, lässt uns leichter mit den unangenehmen Aufgaben umgehen und beschert uns häufiger ein Flow-Erlebnis. Eine Standortbestimmung kann hilfreich sein, um sich seiner beruflichen Kompetenzen und Werte bewusst zu werden. Sich immer mal wieder vor Augen zu führen, welchen Wert die eigene Tätigkeit im Gesamten hat, kann helfen den Alltagsfrust zu mindern. Und vergessen sollten wir nicht, dass es sich um ein Vielfaches besser anfühlt, etwas getan zu haben, als nur so getan zu haben. Um es mit Cicero zu sagen: «Angenehm sind die erledigten Arbeiten!»

Michael F. Gschwind, Psychologe FSP, unterstützt als Laufbahnberater und Coach Personen in beruflichen Veränderungsprozessen.