Pleisure - the power of leisure

Pleisure - the power of leisure

Frage: «Ich habe das Gefühl, für nichts mehr Zeit zu finden. Täglich beschleunigt sich mein Leben mehr und ich komme aus dem Hamsterrad gar nicht mehr raus. Was kann ich tun, um wieder Zeit für mich zu finden?»

Antwort. Ein Brief von Hamburg nach Bern zu Pferde war im Mittelalter mehrere Tage unterwegs, weshalb man sich in Geduld üben musste. Heute braucht eine Email nur wenige Sekunden und das Gegenüber erwartet eine zügige Antwort. Der arbeitende Mensch des Mittelalters orientierte sich in seiner Arbeitsweise an den natürlichen Gegebenheiten. So wurde die Arbeit verrichtet, wenn es hell war und man gönnte sich 2-3 längere Pausen täglich, die dem Miteinander dienten. Es existierten klare Regeln für Arbeit und Freizeit, die sich intuitiv am zirkadianen Rhythmus (der inneren Uhr) des Menschen orientierten. Heute werden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer fliessender, die Arbeitszeit wird flexibler und die Freizeit immer stärker verplant. Dies erhöht einerseits den persönlichen Freiraum, andererseits birgt es die Gefahr Ruhezeiten zu vernachlässigen. Pausen- und Ruhezeiten werden als unproduktiv bewertet und deshalb oftmals freiwillig auf ein Minimum reduziert. Das Leistungsmass wird durch Technisierung und Globalisierung bestimmt. Natürlicherweise versucht der Mensch sich an diese Voraussetzungen anzupassen und übersieht, dass er dieser Schnelligkeit nicht hinterherkommt. Die Beschleunigungsspirale, die sich in Gang setzt, versuchen wir mit einer noch schnelleren Antwort zu meistern und übersehen, dass wir die Beschleunigung damit nur anheizen.

Pleisure – the Power of Leisure. Neuerdings ist eine Gegenbewegung zu erkennen. Genau wie das Fast Food langsam dem Slow Food weicht, kann ein Trend hin zum Slow Working beobachtet werden. Bereits die alten Griechen erhoben die Muße zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Kultur, der nicht im Gegensatz zu Leistung stand. Es ist wissenschaftlich mehrfach bewiesen worden, dass der Mensch effektiv nur zirka sechs Stunden täglich produktiv ist. Muße birgt ein enormes Potential. Durch die Zeit, die wir uns selbst oder einer bestimmten Aufgabe widmen, laden wir unsere Akkus wieder auf. Der menschliche Organismus benötigt eine Zeit des Nichtstuns, um Informationen effektiv zu verarbeiten. Fehlt dieser Raum, werden wir unaufmerksam, unproduktiv und gestresst. Die Zeit der Erholung und der Unproduktivität ist also Bedingung für Produktivität und Kreativität. Muße ist eine Quelle, die bislang in der Arbeitswelt vernachlässigt wurde. Deshalb plädiere ich für „The Power of Leisure“, die ich als Pleisure bezeichne.

Zeitmanagement. Auch wenn wirtschaftliche und persönliche Beschleunigung nicht aufzuhalten sind, können wir hilfreiche Maßnahmen ergreifen, um uns persönliche Freiheiten und die Zeit zur Muße zu verschaffen. Ein gut organisiertes Zeitmanagement - in dem Muße eine hohe Priorität erhalten muss - kann hierbei hilfreich sein. Arbeiten Sie soviel wie nötig, nicht so viel wie möglich. Machen Sie Termine mit sich selbst und geben Sie diesen die gleiche Priorität wie anderen Terminen. Gehen Sie einem Hobby nach, auch wenn dieses vordergründig keinen Mehrwert hat. Planen Sie Ihre Freizeit nicht völlig zu, lassen Sie den Dingen auch einfach einmal freien Lauf. Lassen Sie die Arbeit liegen, wenn Sie merken es geht nicht weiter. Tun Sie einfach mal nichts, das aber richtig!

Michael F. Gschwind, Psychologe FSP, unterstützt als Laufbahnberater und Coach Personen in beruflichen Veränderungsprozessen > www.mfgschwind.ch