Teleheimarbeit statt Bürojob?

Teleheimarbeit statt Bürojob?

Frage: Ich verbringe täglich über zwei Stunden auf meinem Arbeitsweg. Meistens bin ich während der Stosszeiten im überfüllten Zug unterwegs. Ich überlege mir, einige Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Bevor ich damit anfange, würde ich gerne wissen, ob Heimarbeit und Büroarbeit qualitativ gleichwertig sind und was mögliche Vor-und Nachteile sind. Können Sie mir weiterhelfen?

Antwort: Noch bis zur industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert waren Arbeitsplatz und Zuhause für die meisten Menschen ein und derselbe Ort. Bauern arbeiteten auf dem Feld vor ihrer Hütte, Schuster wohnten über ihrem Laden, der Bäcker schlief laut Volksmund sogar ab und zu in seinem Brot. Mit dem Aufkommen der Fabrikarbeit trennten sich Wohn- und Arbeitsort. Mit dem erneuten Wandel der Arbeitswelt von der industriellen Tätigkeit zur heutigen „Wissensarbeit“ arbeiten immer mehr Menschen zumindest teilweise wieder von zu Hause aus. Ob dieser Wandel im Interesse von Unternehmen, Berufstätigen und Gesellschaft liegt, wird deshalb seit einiger Zeit sowohl aus psychologischer, als auch aus wirtschaftlicher Perspektive untersucht.

Zufriedenheit. Aus der Perspektive des Individuums scheint das Arbeiten von zu Hause aus, auch Teleheimarbeit genannt, mit positiven Effekten auf die Arbeitszufriedenheit und mit einem stärkeren Gefühl der Kontrolle, Autonomie und Produktivität verbunden zu sein. Dies wirkt sich zwar durchaus positiv auf das Wohlbefinden des Teleheimarbeiters aus, lässt aber noch keine genaueren Schlüsse auf die effektive Produktivität zu.

Tatsächlich ist noch unklar, ob Heimarbeit der Büroarbeit produktivitätsbezogen gleichwertig oder sogar überlegen ist. Vermutlich hängt die zum Schluss erbrachte Arbeitsleistung von verschiedenen umgebungs- und personenspezifischen Faktoren ab. So führen häufige Arbeitsunterbrechungen, sei dies nun vonseiten der Bürokollegen oder der Mitbewohner, zu einer Abnahme der Arbeitsproduktivität. Aus dieser Sichtweise lohnt sich die Überlegung, wo man weniger oft gestört wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Art der Arbeit, die zu verrichten ist. Arbeiten, die am besten im Team verrichtet werden oder zu deren Erledigung örtlich gebundene Materialien, zum Beispiel Ordner mit empfindlichen Daten, nötig sind, lassen sich am besten vom Büro aus erledigen. Hingegen lassen sich Aufgaben wie das Schreiben eines Berichtes, das Vorbereiten eines Vortrags oder das Programmieren einer Datenbank sehr gut in der störungsfreien Wohnumgebung verrichten.

Koordination. Von richtig eingesetzter Teleheimarbeit profitiert auch das Unternehmen; vor allem durch eine erhöhte Arbeitsqualität, aber auch durch Einsparungen, wie etwa eine Abnahme benötigter Büroflächen und Parkplätze. Damit Teleheimarbeit gut funktioniert, ist aber ein grösserer Koordinationsaufwand notwendig und eine Verschlechterung der Kommunikation praktisch unvermeidbar. Gesellschaftlich gesehen kann weit verbreitete Teleheimarbeit zu einer Entlastung der Verkehrswege führen. Ausserdem birgt sie das Potential, Menschen mit Behinderungen besser in die Arbeitswelt zu integrieren.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Teleheimarbeit durch eine entstehende Flexibilität Chancen bietet, die Arbeits-, Familien- und Freizeitqualität des Beschäftigten zu verbessern. Sie ist aber auf keinen Fall ein Allerheilmittel und sollte deshalb stets überlegt, arbeits-und individuenbezogen eingesetzt werden.

Michael F. Gschwind, Psychologe FSP, unterstützt als Laufbahnberater und Coach SSCP Personen in beruflichen Veränderungsprozessen. > www.mfgschwind.ch