Arbeitssucht

Arbeitssucht

Wenn Arbeit zur Sucht wird

Frage: Ich arbeite viel und gerne. In letzter Zeit befasse ich mich aber nur noch mit meiner Arbeit. Sie verfolgt mich sogar bis in den Schlaf. Ausser der Arbeit habe ich kaum noch andere Interessen. Ich frage mich nun, ob das normal ist oder ob ich arbeitssüchtig bin?

Antwort: Der „gesund“ Arbeitende sieht seine Arbeit als Teil seines Lebens, als Erwerbsquelle und Entfaltungsmöglichkeit an. Er sorgt für ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Nichtarbeit. Wenn Sie jedoch nur noch arbeiten, kann dies schwerwiegende Folgen für Ihr Sozialleben und Ihre Gesundheit haben. Gravierend wird es, falls Sie aufgrund von Überengagement und Überarbeitung einen emotionalen, physischen und psychischen Erschöpfungszustand erleiden, ein sogenanntes Burnout. Oder, wenn Sie bis zum Umfallen arbeiten (was in Japan als Karōshi, Tod durch Überarbeitung, bezeichnet wird).

Arbeitssucht. Der Begriff Arbeitssucht (Workaholism) stammt aus den 70er-Jahren in Anlehnung an den Begriff Alcoholism. Arbeitssüchtige kennen nur einen Inhalt im Leben: ihre Arbeit. Interesse an anderen Dingen oder an sozialen Kontakten bringen sie nicht auf. Arbeitssüchtige können nicht mehr mit der Arbeit aufhören. Sie verspricht ihnen eine hohe Befriedigung und ein gutes Gefühl. Dies führt dazu, dass sie immer ein grosses Verlangen nach Arbeit verspüren. Die Arbeit wird quasi zur Sucht. Hält man sie von der Arbeit ab, werden sie ungehalten bis aggressiv. Sie leiden dann unter Arbeitsentzug. Arbeitssucht wird jedoch selten als psychische Störung diagnostiziert, weil Personen, die viel arbeiten, eine positive Wertschätzung entgegengebracht wird.

Phasen. Bei der Entstehung werden vier Phasen unterschieden.
Einleitungsphase: Alle Gedanken kreisen mehr und mehr um die Arbeit. Heimliches Arbeiten beginnt, wobei die Familie und das soziale Umfeld immer mehr vernachlässigt wird. Schuldgefühle und leichte psychosomatische Beschwerden tauchen auf.
Kritische Phase: Hier fällt die Entscheidung, ob die Arbeit nur kurzfristig übertrieben wird oder die Sucht beginnt. Die zur Arbeitssucht geneigte Person sucht nach Ausreden für ihr Zuviel-Arbeiten. Wird sie darauf hingewiesen, reagiert sie aggressiv. Das ganze Leben wird der Arbeit untergeordnet, Beziehungen werden unterlassen, psychosomatische Symptome wie Bluthochdruck, Magenprobleme und Stimmungsschwankungen treten gehäuft auf.
Chronische Phase: Es zählt einzig und allein nur noch die Arbeit. Alle anderen Beschäftigungen wie Schlaf und Entspannung treten in den Hintergrund. Die Beschwerden verstärken sich.
Endphase: Die Selbstausbeutung fordert ihren Tribut. Es kommt zu starken psychischen und physischen Beeinträchtigungen und zu einem Knick in der Leistungsfähigkeit. Das Stoffwechselsystem des Organismus gerät aus dem Gleichgewicht, die chronische physische und psychische Überlastung führt zu einem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben.
Die Gründe, die zu einer Arbeitssucht führen können, sind vielfältig: Flucht vor Beziehungsproblemen, Verdrängung von Traumata, nicht diagnostizierte psychische Störungen oder ein verzerrtes Wertesystem, das der Arbeit einen zu hohen Stellenwert im Leben beimisst.

Was tun? Klären Sie für sich ab, wieso Sie sich in die Arbeit stürzen. Reflektieren Sie Ihr Wertesystem, versuchen Sie, soziale Beziehungen aufzubauen und einen Ausgleich zur Arbeit zu schaffen. Schalten Sie auf jeden Fall einen Gang zurück und bewahren Sie die nötige Distanz zu Ihrer Arbeit. Arbeit ist wichtig, im Leben aber nicht alles. Falls Sie alleine nicht weiterkommen, wenden Sie sich an eine qualifizierte Fachperson.

Michael F. Gschwind arbeitet als Psychologe FSP und Coach SSCP in der mfgschwind human consulting. www.mfgschwind.ch