Gehirntraining

Gehirntraining

FRAGE: «Im nächsten Monat werde ich eine neue Stelle im Weiterbildungsbereich antreten. Meine Aufgabe wird darin bestehen, in diversen Workshops verschiedene Teams in einem neuen Softwareprodukt zu schulen. Leider kann ich mir aber Namen nur schlecht merken. Gibt es Techniken, die mir dabei helfen, dies zu beheben?»

ANTWORT: Der russische Neurologe Alexander R. Lurija beschrieb in seinem 1971 erschienenen Buch «Der Mann, dessen Welt in Scherben ging» den Journalisten Solomon Schereschewski, der ein absolutes Gedächtnis besass. Schereschewski konnte einfach nicht vergessen. Sämtliche Informationen, die er aus der Umwelt aufnahm, gab er detailliert wieder.
Die Wissenschaft beschreibt immer wieder Personen mit aussergewöhnlichen Gedächtnisfähigkeiten. Weltweit bekannt wurde beispielsweise der Autist Kim Peek durch den Film Rain Man von Barry Levinson. Kim bzw. Raymond, gespielt durch Dustin Hoffmann, besass die Fähigkeit, den Inhalt von insgesamt 12000 Büchern nahezu fehlerfrei wiederzugeben.

SPEICHER. Das menschliche Gedächtnis besitzt die Fähigkeit, eine Unmenge von Informationen zu speichern. Weil nicht alle Informationen gleich wichtig sind, wird aber nur eine begrenzte Anzahl davon gespeichert.
Das Gehirn selektiert die Informationen aus der Umwelt. Es entscheidet, was für uns von Bedeutung ist und was lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Es filtert die Informationen entsprechend. Diese Filterfunktion hilft, mit der grossen Informationsmenge aus der Umwelt umzugehen und nur das für unser Leben Wesentliche auch langfristig abzuspeichern. Schereschewski fehlte diese Funktion, er war quasi dazu verdammt, nicht vergessen zu können.

GEDÄCHTNISTRAINING. Wenige von uns besitzen Gedächtnisleistungen wie anfangs beschrieben. Die Speicherkapazität kann jedoch aktiv verbessert werden. Das Gedächtnis funktioniert wie ein Muskel, der durch tägliches Üben trainiert werden kann. Das bedeutet: Je mehr Sie sich mit den Namen und Gesichtern der Workshopteilnehmenden befassen, desto mehr Gehirnzellen, wie auch Verbindungen zwischen den Zellen, werden aktiviert. Dies führt zu einer engeren Verknüpfung zwischen den Namen und Gesichtern, das Abrufen der Namen wird Ihnen mit der Zeit immer leichter fallen.

STRATEGIEN. Verschiedene Strategien helfen dabei, diesen Prozess zu beschleunigen. Eine einfache Methode besteht zum Beispiel im mehrmaligen Repetieren der Namen unter der Mithilfe von Fotoaufnahmen sowie dem visualisieren der Gesichter vor dem inneren Auge. Verbinden Sie die Namen mit etwas, das die Person kennzeichnet (beispielsweise «trägt stets eine rote Brille» oder auch «hat einen Schnurrbart») oder mit etwas, das für Sie persönlich bedeutsam ist (zum Beispiel: «heisst wie Tante Lisa», oder auch: «Name erinnert mich an eine Süssigkeit»).
Lassen Sie Beginn des neuen Workshops einen Steckbrief erstellen und merken Sie sich biografische Besonderheiten (beispielsweise: «gleicher Jahrgang wie ich», oder: «gleiches Hobby wie ich»). Oder merken Sie sich auch die Sitzordnung im Schulungsraum anhand einer Skizze. Gehen Sie diese Sitzordnung gedanklich immer wieder durch («hinten rechts sitzt Herr Müller mit kariertem Hemd, daneben Frau Meier mit der roten Brille» usw.). Rufen Sie die Verbindung Name-Gesicht-Besonderheit immer wieder ab. Sie werden sehen, die Verknüpfung wird immer stärker und damit leichter abrufbar.

Michael F. Gschwind, Psychologe FSP, unterstützt als Laufbahnberater und Coach SSCP Personen in beruflichen Veränderungsprozessen. > www.mfgschwind.ch