Groupthinking - Wann Teamwork besser ist

Groupthinking - Wann Teamwork besser ist

Frage: «Als Teamleiter lege ich grossen Wert auf Teamzusammenarbeit und -entscheidungsprozesse. Was ist nun eigentlich besser, Teamwork oder die Arbeit einzelner Personen?»

MICHAEL F. GSCHWIND: In der Arbeitswelt ist die Arbeit in Gruppen unerlässlich geworden. Oft sind Projekte zu umfangreich und komplex, um von einer einzelnen Person durchgeführt zu werden. Damit werden gute Kommunikation und Zusammenarbeit immer essentieller. Auf Ihre Frage gibt es wie so oft in der Psychologie keine einfache Antwort. Sie lautet: Es kommt darauf an. Zum Ersten kommt es auf die Art der Aufgabe an. Nicht bei jeder Arbeit macht es Sinn, sie einer Gruppe zu übertragen. Sie sollte dafür in Teilaufgaben auftrennbar sein. Man unterscheidet zudem zwischen der tatsächlichen Ausführung von Arbeitsschritten und Entscheidungsfindungen. Des Weiteren muss natürlich geklärt werden, was mit «besser» gemeint ist. Ist das Ziel eine hohe Qualität der Ergebnisse oder Quantität, also eine effiziente Produktion? Für einfache Arbeiten sind vor allem Motivation und ein reibungsloser Prozessablauf wichtig.

UNTER BEOBACHTUNG. 1965 zeigte der Psychologe Robert Zajonc, dass die Gegenwart anderer zu erhöhter Erregung führt. Dazu liess er Kakerlaken den Weg durch ein Labyrinth suchen. Wurden an den Seiten Zuschauerreihen für Artgenossen aufgebaut, und die Kakerlake bemerkte diese, so fand sie den Weg schneller, wenn es sich um ein einfaches Labyrinth handelte. Wurde die Kakerlake aber in ein komplexeres Labyrinth gesetzt, brauchte sie mit Publikum deutlich länger, das Ziel zu finden. Schwierige Aufgabenstellungen lösen wir also im Allgemeinen besser, wenn wir uns nicht beobachtet fühlen.
Weitere Forschung mit Menschen hat diese Erkenntnisse bestätigt. Jemand, der merkt, dass andere zuschauen, muss sich zugleich auf die Aufgabe und seinen Eindruck auf die Mitmenschen konzentrieren, wodurch ihm Arbeitskapazität abhanden kommt. Wenn es um die Entwicklung neuer Ideen geht, erfreut sich das Brainstorming grosser Beliebtheit. Das Ziel des Brainstorming ist es, möglichst kreative Ideen zu finden. Hier sind Gruppen deutlich weniger produktiv als Einzelpersonen. Grund dafür ist einerseits, dass in der Zeit, in der andere ihre Ideen präsentieren, man selbst nicht nach neuen Ideen sucht, sondern zuhört. Dies stellt einen Prozessverlust dar. Andererseits gibt man bedeutend weniger Ideen wieder, sobald man diese einer Gruppe mitteilen soll – aus Angst, von den Mitarbeitern schief angesehen zu werden. In diesem Fall bestätigt sich das alte Sprichwort – zu viele Köche verderben den Brei.

AUCH EXPERTEN IRREN. Für wichtige, schwierige Entscheide werden oft Expertenteams beauftragt. Experten möchten voreinander auf keinen Fall schlecht dastehen. Also besteht ein Druck, mit den Meinungen der Gruppe konform zu sein, um akzeptiert zu werden. Die Gruppenmeinung bewegt sich so immer extremer in eine Richtung, ein Phänomen, das Groupthink genannt wird. Diese Dynamik ist unabhängig von der Qualität der genannten Argumente, wodurch die Gruppe zu schlechten Entscheiden gelangen kann. Natürlich wäre es falsch, zu sagen, dass Gruppen generell schlechtere Entscheidungen treffen als Einzelpersonen. Wenn man auf Gefahren beim Teamwork achtet, kann man sie vermeiden und zu einer besseren Lösung gelangen, als eine einzelne Person es könnte. So ist es beim Groupthink-Phänomen ratsam, sich nicht zu früh auf eine Entscheidung festzulegen, offene Diskussionen zu fördern oder ein zweites Treffen zur kritischen Prüfung der ausgewählten Strategie zu vereinbaren.

Michael F. Gschwind, Psychologe FSP, unterstützt als Laufbahnberater und Coach SSCP Personen in beruflichen Veränderungsprozessen.> www.mfgschwind.ch

* Die Beantwortung der Frage fand in Zusammenarbeit mit Vivian Frick, Fakultät für Psychologie Basel, statt.